Verurteilung eines Arbeitgebers zur Erstattung der Fahrkosten seiner Arbeitnehmer, die während der Covid-19-Pandemie aufs Land gezogen waren
Während der Covid-19-Pandemie beschlossen viele Arbeitnehmer aufgrund der strikten Ausgangssperren, insbesondere in den Städten, in ländlichere Regionen zu ziehen. Dies wiederum hatte auch Auswirkungen auf die Beziehung zwischen Arbeitgebern und ihren Angestellten.
So stellte sich unteranderem die Frage, ob der Arbeitgeber zur Erstattung der Fahrkosten des Arbeitnehmers verpflichtet ist, und zwar auch dann, wenn dieser aufgrund der Corona-Pandemie seinen Wohnsitz sehr weit von seinem Arbeitsplatz entfernt wählte.
Das Tribunal judiciaire in Paris urteilte mit Entscheidung vom 5. Juli 2022, dass der Arbeitgeber zur Erstattung der Fahrkosten auch in diesem Fall verpflichtet ist. Im konkreten Fall hatte eine Abteilung der französischen Investmentbank Natixis (UES NIM) ihre Erstattungsmodalitäten für Fahrtkosten der Arbeitnehmer aktualisiert, nachdem während der Corona-Pandemie immer mehr Arbeitnehmer in die Provinz gezogen waren. In der aktualisierten Version der Erstattungsmodalitäten legte UES NIM fest, dass Fahrtkosten lediglich dann übernommen werden sollten, wenn die Fahrtzeit vom Arbeitsplatz in Paris zum Wohnort des Arbeitnehmers (ohne öffentliche Verkehrsmittel vom Ankunftsbahnhof bis zum Arbeitsplatz in Paris) insgesamt weniger als vier Stunden pro Tag betrage. Sowohl der Betriebsrat als auch die Gewerkschaft fochten die Entscheidung über die Änderung der Erstattungsmodalitäten.
Der Betriebsrat argumentierte insbesondere, dass die Verweigerung des Arbeitgebers, die Fahrtkosten für die Arbeitnehmer zu übernehmen, gegen die gesetzlichen Bestimmungen und die innerhalb der Natixis-Gruppe geltenden Gepflogenheiten verstoße. Bislang sei immer eine Fahrtkostenübernahme von 60 % angegeben worden, ohne dass eine Verpflichtung bezüglich der Wohnsitznahme erwähnt worden sei. Die Änderung der Erstattungsmodalitäten würde außerdem die Freiheit des Arbeitnehmers, seinen Wohnsitz an einem Ort seiner Wahl zu begründen, unrechtmäßig beeinträchtigen.
Der Arbeitgeber führte zur Rechtfertigung seiner Entscheidung mehrere Argumente an. Insbesondere würden sich die Arbeitnehmer aufgrund ihres Wohnsitzes in unterschiedlichen finanziellen Situationen befinden, demnach würden die in Paris wohnhaften Arbeitnehmer mehr von der Fahrtkostenerstattung profitieren.
Das Gericht entschied zugunsten des Betriebsrates und der Gewerkschaft. Nach Ansicht der Richter hätte Natixis (Arbeitgeber) durch die Einführung des neuen Erstattungskriteriums der geografischen Entfernung zwischen Wohn- und Arbeitsort der Arbeitnehmer ein Kriterium hinzugefügt, das weder im Gesetz noch in den im Unternehmen geltenden Vereinbarungen vorgesehen ist. Dieses neue Kriterium hätte einzig zum Ziel, dem Arbeitgeber die Erstattung der Fahrkosten zu ersparen.
Das Gericht stellte daher fest, „dass der Arbeitgeber, indem er die Erstattung der Kosten für öffentliche Verkehrsmittel von einem Kriterium der geografischen Entfernung abhängig machte (…), seine in Artikel L. 3261 und R. 3261-1 ff. des Arbeitsgesetzbuchs geregelten gesetzlichen Verpflichtungen missachtet hat“. Der Arbeitgeber habe dadurch eine Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer eingeführt, die einem Teil der Arbeitnehmer die Erstattung der Fahrkosten vorenthalte.
Die Richter wiesen die Natixis-Gruppe daher an, die nicht übernommenen Fahrtkosten zurückzuzahlen und auch für die Zukunft zu übernehmen.
TJ Paris, 5 juill. 2022, n° RG 22/04735