Generaldirektor einer SAS: Möglichkeit der Abberufung ohne wichtigen Grund sofern die Satzung diesbezüglich nichts Ausdrückliches vorschreibt
Das französische Handelsgesetzbuch (Code de commerce) enthält keine spezifische Vorschrift im Hinblick auf die Abberufung eines Geschäftsleitungsorgans einer vereinfachten Aktiengesellschaft französischen Rechts (société par actions simplifiée, SAS). Einzig und allein Art. L. 227-5 des französischen Handelsgesetzbuchs sieht vor, dass „die Satzung die Vorschriften betreffend die Führung und Leitung der Gesellschaft festlegt“. Die Bedingungen der Abberufung eines Geschäftsleitungsorgans einer SAS, d.h. sowohl des Präsidenten als auch der Generaldirektoren und stellvertretenden Generaldirektoren, werden somit grundsätzlich in der Satzung festgelegt. In der Praxis sehen die Satzungen von SAS meistens entweder eine Abberufung aus wichtigem Grund oder eine sog. Abberufung „ad nutum“, d.h. ohne, dass es eines Grundes für die Abberufung bedarf, vor.
Allerdings kommt es häufig vor, dass die Satzung einer SAS bestimmt, dass die Geschäftsleitungsorgane „jederzeit vom Alleingesellschafter, oder bei einer Mehrheit von Gesellschaftern, von der ordentlichen Gesellschafterversammlung auf Vorschlag des Präsidenten abberufen werden können“, ohne ausdrücklich vorzusehen, ob eine solche Abberufung eines wichtigen Grundes bedarf oder nicht.
In diesem Zusammenhang hat die Handelskammer des französischen Kassationsgerichtshofs in einem Urteil vom 09.03.2022 (Nr. 19-25.795) zunächst bestätigt, dass „die Bedingungen der Abberufung von Geschäftsleitungsorganen einer vereinfachten Aktiengesellschaft bei diesbezüglich fehlender gesetzlicher Vorschrift durch die Satzung festgelegt werden, sei es im Hinblick auf die Gründe oder im Hinblick auf die Modalitäten einer solchen Abberufung“. Der französische Kassationsgerichtshof urteilt darüber hinaus, dass wenn die Satzung einer SAS vorsieht, dass die Geschäftsleitungsorgane „jederzeit vom Alleingesellschafter, oder bei einer Mehrheit von Gesellschaftern, von der ordentlichen Gesellschafterversammlung auf Vorschlag des Präsidenten abberufen werden können“, die Satzung in solch einem Fall keineswegs das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Abberufung eines Geschäftsleitungsorgans vorschreibt.
Der Generaldirektor einer SAS kann somit jederzeit, ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes abberufen werden, sofern die Satzung seine Abberufung nicht ausdrücklich durch das Vorliegen eines solchen Grundes bedingt. Auch wenn sich dieses Urteil nur auf die Abberufung eines Generaldirektors bezieht, sollte es aus unserer Sicht ebenfalls auf die Abberufung eines Präsidenten oder stellvertretenden Generaldirektors übertragbar sein.