FRANKREICH: Unentschuldigtes Fehlen am Arbeitsplatz gilt nunmehr als einseitige Kündigung des Arbeitnehmers.
Zur Erinnerung: Das französische Gesetz, das Dringlichkeitsmaßnahmen für die Funktionsweise des Arbeitsmarktes vorsieht, hat eine wichtige neue Regel in das französische Arbeitsgesetzbuches eingeführt: beim unentschuldigten Fehlen am Arbeitsplatz wird die einseitige Kündigung des Arbeitnehmers vermutet, soweit der Arbeitgeber den Arbeitnehmer erfolglos zur Wiederaufnahme der Arbeit aufgefordert hat (Art. L. 1237-1-1 des französischen Arbeitsgesetzbuchs). Diese Vermutung der einseitigen Kündigung dient einem klaren Ziel: Arbeitnehmern, die ihren Arbeitsplatz unentschuldigt verlassen, soll der Anspruch auf Arbeitslosengeld entzogen werden.
Die erforderliche Durchführungsverordnung (Nr. 2023-275) wurde am 18.04.2023 im französischem „Journal officiel“ veröffentlicht und trat am 19.04.2023 in Kraft. Es wird einen neuen Artikel im Arbeitsgesetzbuch (C. trav., Art. R. 1237-13) geschaffen, welcher folgende Aspekte regelt: (1) das Verfahren für die Aufforderung zur Wiederaufnahme der Arbeit durch den Arbeitgeber, der diese Kündigungsvermutung geltend machen will, (2) die Voraussetzungen für die Widerlegung der Vermutung und (3) die Fristdauer, die dem Arbeitnehmer für die Rückkehr an seinen Arbeitsplatz eingeräumt wird. Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Vertragsbeendigung werden ohne Einräumung eines Gütetermins direkt vor dem Arbeitsgericht erörtert (4).
1) Aufforderung zur Wiederaufnahme der Arbeit
„Stellt der Arbeitgeber fest, dass der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz verlassen hat und will der Arbeitgeber die in Artikel L.1237-1-1 des Arbeitsgesetzbuchs vorgesehene arbeitnehmerseitige Kündigungsvermutung geltend machen, hat er den Arbeitnehmer per Einschreiben oder per Aushändigung gegen Quittung aufzufordern, seine Abwesenheit zu rechtfertigen und seinen Arbeitsplatz wieder einzunehmen.“ (Art. R. 1237-13, Abs. 1 des französischen Arbeitsgesetzbuchs)
Es liegt also im Ermessen des Arbeitgebers, ob er dieses Verfahren einleiten möchte, wobei die Aufforderung zur Wiederaufnahme der Arbeit dann erfolgt, wenn er „die Vermutung bzgl. der arbeitnehmerseitigen Kündigung geltend machen will“ (Art. R. 1337-13).
2) Widerlegung der Vermutung
Der Arbeitnehmer kann sein Fehlen am Arbeitsplatz rechtfertigen, indem er sich in einer Antwort an den Arbeitgeber auf einem legitimen Grund beruft. Folgende Gründe werden in der Durchführungsverordnung insbesondere aufgelistet:
- medizinische Gründe ;
- Ausübung des in Artikel L. 4131-1 des französischen Arbeitsgesetzbuchs vorgesehenen Rückzugsrechts;
- Ausübung des Streikrechts gemäß Artikel L. 2511-1 des französischen Arbeitsgesetzbuchs;
- Weigerung des Arbeitnehmers, eine gesetzeswidrige Aufgabe zu erledigen;
- einseitige Änderung des Arbeitsvertrags durch den Arbeitgeber.
Diese Gründe sind jedoch nicht ausschließend, da der Text das Adverb „insbesondere“ verwendet. Der Arbeitnehmer kann sich also auf andere Gründe berufen, was die Tür zu künftigen Rechtsstreitigkeiten öffnet.
3) Antwortfrist von mindestens 15 Tagen
Dem Arbeitnehmer steht eine Antwortfrist von mindestens 15 Kalendertagen, ab Erhalt der Aufforderung zur Wiederaufnahme der Arbeit (Art. R. 1237-13, Abs. 3 des französischen Arbeitsgesetzbuchs) zu. Die Antwort des Arbeitnehmers unterliegt keiner Formvorschrift und kann mündlich oder schriftlich erfolgen. Die Einholung einer schriftlichen Antwort wird jedoch weiterhin dringend empfohlen.
4) rechtliche Auseinandersetzung über die Anwendung der Vermutung
Rügt der Arbeitnehmer die Beendigung seines Arbeitsvertrags aufgrund der Vermutung, kann er vor dem französischen Arbeitsgericht (Conseil de Prud’hommes) klagen. Ein Gütetermin findet nicht statt. Das Gericht hat innerhalb eines Monats nach Klageerhebung zu entscheiden (Art. L. 1237-1-1 des französischen Arbeitsgesetzbuchs).