Krankheit während des Urlaubs: Der Kassationsgerichtshof erkennt endlich das Recht auf Übertragung an

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27 Oktober 2025

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Die Entscheidung war seit Langem erwartet worden: Mit Urteil vom 10.09.2025 (Cass. soc., Nr. 23-22.732) hat der französische Kassationsgerichtshof seine seit 1996 unveränderte Rechtsprechung grundlegend geändert.
Erstmals erkennt das Gericht an, dass Urlaubstage, die mit einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit zusammenfallen, auf einen späteren Zeitpunkt übertragen werden können. Arbeitgeber müssen diese neue Rechtsprechung ab sofort berücksichtigen.

 

Bisherige Rechtslage: Keine Übertragung im Krankheitsfall

Nach bisheriger Auslegung des Code du travail (französisches Arbeitsgesetzbuch) hatte eine Erkrankung während des Urlaubs keinen Einfluss auf den Urlaubsanspruch:

  • Wurde der Arbeitnehmer vor Ablauf des Urlaubs wieder gesund, nahm er die Arbeit zum ursprünglich vorgesehenen Zeitpunkt wieder auf.
  • War der Arbeitnehmer nach Ablauf des Urlaubs weiterhin arbeitsunfähig, legte er eine entsprechende Bescheinigung vor.

Mit anderen Worten: Die Urlaubstage galten als verbraucht, auch wenn der Arbeitnehmer sie krankheitsbedingt nicht zur Erholung nutzen konnte.

Europarechtlicher Hintergrund

Diese nationale Praxis stand im Widerspruch zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).
Der EuGH vertritt seit 2012 die Auffassung, dass Arbeitnehmer ihren bezahlten Jahresurlaub bei Krankheit auf einen späteren Zeitpunkt verschieben dürfen.

Der Gerichtshof betont regelmäßig, dass der Jahresurlaub der Erholung und Freizeit des Arbeitnehmers dient. Dieser Zweck könne nicht erfüllt werden, wenn der Arbeitnehmer während des Urlaubs erkrankt.

Am 18.06.2025 hatte die Europäische Kommission Frankreich daher aufgefordert, zu dieser Diskrepanz Stellung zu nehmen.

Die Entscheidung des Kassationsgerichtshofs vom 10.09.2025

Mit seinem Urteil folgt der Kassationsgerichtshof nun erstmals der europäischen Linie. Er führt aus:

„Ein Arbeitnehmer, der aufgrund einer während seines bezahlten Jahresurlaubs aufgetretenen Krankheit arbeitsunfähig ist, hat das Recht, die mit der Dauer der Arbeitsunfähigkeit übereinstimmenden Urlaubstage zu einem späteren Zeitpunkt in Anspruch zu nehmen.“

Damit bestätigt das Gericht die Entscheidung einer Berufungsinstanz, die einer Arbeitnehmerin bereits das Recht auf Übertragung von Urlaubstagen im Krankheitsfall zugesprochen hatte.

Praktische Auswirkungen für Unternehmen

Arbeitgeber müssen ihre betriebliche Praxis umgehend anpassen.
Künftig gilt:
Tritt während des Urlaubs eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit ein, sind die betroffenen Urlaubstage auf einen späteren Zeitpunkt zu übertragen.

Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer den Arbeitgeber unverzüglich über die Erkrankung informiert und eine entsprechende ärztliche Bescheinigung vorlegt.

Unternehmen sollten daher ihre internen Richtlinien, Urlaubsrichtlinien und Personalverwaltungsprozesse an diese Rechtsprechung anpassen, um künftige Streitigkeiten zu vermeiden.

Ausblick: Anpassung des Code du travail erwartet

Der französische Gesetzgeber wird den Code du travail an die neue Rechtsprechung anpassen müssen, um eine eindeutige gesetzliche Grundlage zu schaffen.

Die Generaldirektion für Arbeit (Direction générale du travail) empfiehlt jedoch, diese neue Auslegung bereits jetzt in der Praxis umzusetzen.

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