Die neue EU-Produkthaftungsrichtlinie

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16 Oktober 2025

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Am 18.11.2024 wurde die Richtlinie (EU) 2024/2853 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2024 im Amtsblatt veröffentlicht. Diese Richtlinie, die die Richtlinie 85/374/EWG aufhebt, passt den europäischen Rechtsrahmen an die technologischen und rechtlichen Entwicklungen an und berücksichtigt dabei neue Herausforderungen im Zusammenhang mit digitaler Innovation und der Globalisierung des Marktes.

Das Hauptziel dieser Reform besteht darin, den Verbraucherschutz zu stärken und gleichzeitig ein ausgewogenes, innovationsfreundliches Wettbewerbsumfeld zu fördern. Außerdem harmonisiert sie die Regelungen zwischen den Mitgliedstaaten, um eine einheitliche Anwendung des europäischen Rechts zu gewährleisten.

Die Richtlinie tritt am 9. Dezember 2024 in Kraft und gilt für Produkte, die ab dem 9. Dezember 2026 in Verkehr gebracht oder in Betrieb genommen werden. Die Mitgliedstaaten haben bis zu diesem Datum Zeit, die neuen Bestimmungen in ihr nationales Recht umzusetzen.

Im vorliegenden Artikel werden wir die wichtigsten Neuerungen der Richtlinie untersuchen und die praktischen Auswirkungen sowohl für Hersteller als auch für Verbraucher analysieren.

Hintergrund und Ziele der EU-Produkthaftungsrichtlinie

Die Modernisierung des Rechtsrahmens war notwendig, da die nun abgelöste Richtlinie von 1985 auf Konzepten beruhte, die angesichts des technologischen Wandels überholt waren. Die alte Richtlinie führte eine verschuldensunabhängige Haftung ein, die den Hersteller für Schäden haftbar machte, die durch sein fehlerhaftes Produkt verursacht wurden – ohne dass dem Hersteller Verschulden oder Fahrlässigkeit nachgewiesen werden musste. Im Laufe der Zeit wurden die Grenzen dieses Systems jedoch immer deutlicher, was insbesondere an Beweisschwierigkeiten und an einer mangelnden Anpassung an neuen Marktgegebenheiten lag.

In einer Zeit, in der Digitalisierung und Konnektivität von Produkten die Risiken und Verantwortlichkeiten neu definieren, bringt die neue Richtlinie Klarheit und einen erweiterten Anwendungsbereich. Sie umfasst nun moderne Produkte wie Software, Künstliche Intelligenz und digitale Dienste, die in physischen Gütern implementiert sind. Zudem stärkt sie die Rechte der Verbraucher, indem sie den Schadensersatz auf Personenschäden, Sachschäden sowie den Verlust von Daten ausweitet – ein zentrales Thema in der heutigen digitalen Wirtschaft.

Die wichtigsten Änderungen durch die neue EU-Produkthaftungsrichtlinie

  1. Erweiterung des Anwendungsbereichs auf digitale Produkte

 

Die Richtlinie von 2024 sieht eine umfassende Neufassung des Begriffs „Produkt“ vor, der an die heutigen technologischen Gegebenheiten angepasst wurde. Dieser Begriff umfasst nun „jede bewegliche Sache, auch wenn diese in eine andere bewegliche Sache oder unbewegliche Sache integriert oder damit verbunden ist; unter „Produkt“ sind auch Elektrizität, digitale Konstruktionsunterlagen, Rohstoffe und Software zu verstehen“.

Die Richtlinie bestätigt somit ausdrücklich, dass Elektrizität und Rohstoffe unter den Anwendungsbereich fallen, womit alle bisher bestehenden Unklarheiten beseitigt werden.

Die wichtigste Neuerung liegt jedoch in der ausdrücklichen Einbeziehung von Software. Erfasst werden somit Betriebssysteme, Firmware, Computerprogramme, Anwendungen und KI-Systeme, unabhängig davon, wie sie bereitgestellt oder genutzt werden. Abgedeckt sind sowohl in physische Produkte integrierte Software(„embedded software“) als auch eigenständige Software („standalone software“). Der isolierte Quellcode hingegen stellt kein Produkt im Sinne der Richtlinie dar, da er als reine digitale Information qualifiziert wird.

Diese Entwicklung beendet eine langjährige Kontroverse, die die Haftung für fehlerhafte Produkte auf rein materielle Güter beschränkte. Die neue Richtlinie stellt nun unmissverständlich klar, dass immaterielle Elemente als Produkte gelten, sofern sie über eine eigene Funktionalität verfügen und Schäden verursachen können.

Ziel ist es, diese immateriellen Elemente dem Haftungsregime für fehlerhafte Produkte zu unterwerfen und so einen wirksamen Schutz der Nutzer im digitalen Zeitalter sicherzustellen. Wirtschaftsakteure, die bislang nicht unter dieses Haftungsregime fielen – wie Softwareentwickler, KI-Anbieter oder App-Dienstleister – gelten nun gemäß Erwägungsgrund 13 der Richtlinie als „Hersteller“.

Um jedoch den Innovationsgeist nicht zu hemmen, schließt die Richtlinie ausdrücklich freie und quelloffene Software (Open Source) aus, sofern diese außerhalb einer Geschäftstätigkeit entwickelt oder bereitgestellt wird. Mit dieser Ausnahme soll verhindert werden, dass die Forschung oder die gemeinschaftliche Entwicklung außerhalb kommerzieller Kreisläufe behindert wird.

Eine Geschäftstätigkeit wird vermutet, wenn die Software gegen Entgelt bereitgestellt wird oder personenbezogene Daten zu anderen Zwecken als zur Verbesserung der Sicherheit, Kompatibilität oder Interoperabilität verwendet werden. Diese Unterscheidung könnte zu praktischen Unsicherheiten führen, etwa bei Open-Source-Projekten, die als Marketinginstrument oder Bestandteil weitergehender kommerzieller Angebote (Hardware, Dienstleistungen usw.) dienen. Es wird daher erwartet, dass die Rechtsprechung den Begriff der Geschäftstätigkeit weiter konkretisieren wird.

Im Übrigen gilt: Wird eine ursprünglich nicht-kommerzielle freie Software in ein Produkt integriert, das in Verkehr gebracht wird, kann der Hersteller dieses Produkts im Falle eines schadensverursachenden Softwarefehlers haftbar gemacht werden. Die Haftung des Entwicklers der freien Software ist hingegen ausgeschlossen, da dieser die Software nicht im rechtlichen Sinne in Verkehr gebracht hat.

Der Produktbegriff wird durch die Richtlinie nun auch auf sogenannte digitale Konstruktionsunterlagen ausgeweitet. Dabei handelt es sich um „eine digitale Version einer beweglichen Sache oder eine digitale Vorlage dafür, die die funktionalen Informationen enthält, die zur Herstellung eines körperlichen Gegenstands erforderlich sind, indem sie die automatische Steuerung von Maschinen oder Werkzeugen ermöglicht“. Typischerweise geht es dabei um computergestützte Konstruktionsdateien (CAD-Dateien / computer-aideddesign), die in 3D-Druck- oder Bearbeitungsverfahren verwendet werden. Anders als rein informatorische Dateien gelten diese Dateien als eigenständige Produkte, sofern sie im Rahmen einer geschäftlichen Tätigkeit bereitgestellt werden. Auch hiermit wird eine langjährige juristische Kontroverse über die Einbeziehung von CAD-Dateien in die Produkthaftung beendet.

Darüber hinaus werden nun auch digitale Dienste erfasst, die mit einem Produkt verbunden oder darin integriert sind – sogenannte verbundene Dienste –, sofern sie der Kontrolle des Herstellers unterliegen. Diese Dienste gelten als Bestandteil des Produkts und können ebenfalls zu einer Haftung des Herstellers führen. Die Richtlinie nennt etwa Temperaturregelungsdienste für smarte Kühlschränke, Sprachassistenten zur Steuerung mehrerer Geräte oder die kontinuierliche Bereitstellung von Verkehrsdaten in einem Navigationssystem. Solche Dienste fallen jedoch nur dann unter die Richtlinie, wenn sie für die Funktion des Produkts notwendig sind und unter der Autorisierung oder Kontrolle des Herstellers stehen. Unklar bleibt, inwieweit sich diese Autorisierung auf zukünftige Versionen des Dienstes erstreckt – eine Frage, die möglicherweise dem nationalen Gesetzgeber überlassen wird.

Durch diese umfassende Ausweitung des Produktbegriffs auf immaterielle Elemente und verbundene Dienste modernisiert die Richtlinie von 2024 das Haftungsregime für fehlerhafte Produkte grundlegend. Sie bezieht nun Wirtschaftsakteure mit ein, die bisher außerhalb des Rechtsrahmens standen – wie z. B. Softwareentwickler, KI-Anbieter oder Anbieter integrierter digitaler Dienste. Damit schafft sie ein Gleichgewicht zwischen Verbraucherschutz und Förderung technologischer Innovation im europäischen Digitalraum.

  1. Erweiterung des Haftungsadressatenkreises

 

Die neue EU-Produkthaftungsrichtlinie sieht eine tiefgreifende Neugestaltung der Haftungsregelung vor, indem sie die Liste der potenziell haftbaren Wirtschaftsakteure erheblich erweitert. Diese Änderung steht im Einklang mit dem Bestreben, die regulatorischen Verpflichtungen und die rechtlichen Verantwortlichkeiten in Einklang zu bringen, insbesondere vor dem Hintergrund sich wandelnder Geschäftsmodelle, etwa im Online-Handel.

An die Stelle des traditionellen Begriffs des „Herstellers“ tritt nun der weiter gefasste Begriff des „Wirtschaftsakteurs“ (Artikel 4 Nr. 15 der Richtlinie). Dieser umfasst sämtliche natürlichen oder juristischen Personen, die an der Inverkehrbringung eines Produkts beteiligt sind. In Artikel 8 der Richtlinie werden ausdrücklich die folgenden Wirtschaftsakteure als haftbar bezeichnet: der Hersteller, der Importeur, der Bevollmächtigte, der Fulfillment-Dienstleister, der Lieferant, der Anbieter von Online-Plattformen sowie jede Person, die ein Produkt wesentlich verändert hat.

Eine der wesentlichen Neuerungen ist die Einführung einer verschuldensunabhängigen Haftung des Bevollmächtigten des Herstellers – analog zur Haftung des Herstellers oder Importeurs (Art. 8 Abs. 1 Buchst. c) der Richtlinie). Gemäß Artikel 4 Nr. 11 ist ein Bevollmächtigter jede natürliche oder juristische Person mit Sitz in der EU, die schriftlich beauftragt wurde, im Namen des Herstellers bestimmte Aufgaben wahrzunehmen. Diese Ausweitung ergibt sich insbesondere aus den Anforderungen des Produktsicherheitsrechts (Verordnung (EU) 2023/988), das für bestimmte Produkte die Benennung eines Wirtschaftsakteurs in der EU vorschreibt. Während diese neue Haftung die Rechte der Geschädigten stärkt, könnte sie dazu führen, dass sich Unternehmen künftig scheuen, die Rolle des Bevollmächtigten zu übernehmen.

Im grenzüberschreitenden Handel sieht die Richtlinie eine subsidiäre Haftung des Fulfillment-Dienstleistersvor, falls weder Hersteller noch Importeur seinen Sitz in der EU haben und es keinen Bevollmächtigten gibt. Auch wenn der Fulfillment-Dienstleister selbst keine Verkaufsaktivität ausübt, reicht die Unterstützung einer kommerziellen Transaktion aus, um eine Haftung zu begründen. Diese Regelung soll verhindern, dass Geschädigte kostspielige und komplexe Verfahren außerhalb der EU führen müssen, insbesondere bei Direktverkäufen über digitale Plattformen.

Artikel 8 Abs. 4 der Richtlinie führt eine Haftungsregelung für Anbieter von Online-Plattformen ein, die Fernabsatzverträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern ermöglichen. Diese Anbieter können unter denselben Bedingungen wie Lieferanten haftbar gemacht werden, wenn kein anderer in der EU ansässiger Wirtschaftsakteur festgestellt werden kann.

Diese Haftung steht jedoch im Zusammenhang mit den Vorschriften des Digital Services Act (DSA, Verordnung (EU) 2022/2065), insbesondere mit Artikel 6. Dieser gewährt Anbietern von Hosting-Diensten grundsätzlich eine Haftungsbefreiung – es sei denn, sie wissen von der Rechtswidrigkeit des Inhalts oder üben eine tatsächliche Kontrolle über den Verkäufer aus. Nach Artikel 6 Abs. 3 DSA entfällt dieser Haftungsschutz, wenn ein durchschnittlicher Verbraucher vernünftigerweise davon ausgehen kann, dass das Produkt von der Plattform selbst oder von einem ihrer kontrollierten Nutzer angeboten wird. Das Kriterium des Erscheinungsbildes spielt hier in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Wathelet eine zentrale Rolle.

Schließlich wird auch jede Person als Hersteller betrachtet, die ein Produkt vor dessen erneuter Inverkehrbringung und außerhalb der Kontrolle des ursprünglichen Herstellers wesentlich veränderthat. Diese Konstellation, die so bereits im Maschinensicherheitsrecht auftaucht, wird nun im Einklang mit den Zielen des European Green Deal und zur Stärkung der Kreislaufwirtschaft übernommen.

  1. Erweiterung des Schadensbegriffs

 

Die Richtlinie erweitert den Katalog der ersatzfähigen Schäden, wobei die Ersatzfähigkeit von Personen- und Sachschäden (mit Ausnahme des fehlerhaften Produkts selbst) sowohl des unmittelbar als auch des mittelbar Geschädigten gewahrt bleibt. Neu hinzugekommen sind Schadenskategorien wie medizinisch anerkannte psychische Gesundheitsschäden sowie die Zerstörung oder Beschädigung nicht-beruflich genutzter Daten, etwa das Löschen digitaler Dateien auf einer Festplatte. Diese bislang nicht erfassten Schäden können nun zusätzlich zu den bereits in der Richtlinie 85/374/EWG vorgesehenen Schäden ersetzt werden.

In diesem Zusammenhang sind Schwierigkeiten bei der Bezifferung von Schäden zu erwarten. Daten für den privaten Gebrauch können zwar einen hohen individuellen Wert haben, besitzen jedoch in der Regel keinen signifikanten Marktwert. Die Rechtsprechung wird daher Leitlinien entwickeln müssen, um auch in solchen Fällen die Schadenshöhe bestimmen zu können.

Ferner muss auch ein etwaiges Mitverschulden des Geschädigten berücksichtigt werden – etwa wenn davon ausgegangen werden kann, dass durch eine regelmäßige Datensicherung der Verlust hätte vermieden werden können.

Demgegenüber bleiben Schäden an beruflich genutzten Gütern, rein wirtschaftliche Verluste und immaterielle Schäden weiterhin entsprechend den bisherigen Ausschlussbestimmungen aus der abgelösten Richtlinie vom Schadensersatz ausgeschlossen. Die Richtlinie von 2024 hebt außerdem den Selbstbehalt in Höhe von EUR 500,00 auf, der bislang zur Begrenzung der Fallzahlen galt. Frankreich hatte diese Bestimmung ursprünglich nicht umgesetzt, da sie gegen das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK) verstoße, und wurde 2002 vom EuGH verurteilt, woraufhin der Verstoß vom französischen Gesetzgeber per Gesetz vom 9. Dezember 2004 korrigiert worden ist. Die neue Richtlinie sorgt nun auch diesbezüglich für Klarheit.

  1. Änderung der Beweisregeln

 

Die Neufassung der EU-Produkthaftungsrichtlinie führt zu erheblichen Änderungen im Bereich der Beweisführung, die das Kräfteverhältnis zwischen Opfern und Herstellern wieder ins Gleichgewicht bringen sollen, insbesondere in einem Kontext, in dem die technische oder wissenschaftliche Komplexität der Produkte den Geschädigten den Zugang zu Informationen erschwert.

Grundsätzlich bleibt es dabei, dass der Produktfehler zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens festgestellt werden muss. Allerdings wurde eine bedeutende Ausnahme eingeführt: Bei Produkten, bei denen der Hersteller auch nach dem Inverkehrbringen die Kontrolle behält – etwa durch Software-Updates oder Fernwartung –, kann der maßgebliche Zeitpunkt zur Feststellung des Fehlers ausgeweitet werden. Diese Neuerung zielt besonders auf digitale Produkte ab, deren Funktionalität auch nach dem Verkauf durch Eingriffe des Herstellers beeinflusst werden kann.

Darüber hinaus wurde ein System von Beweisvermutungen eingeführt, um die Beweislast der Geschädigten zu erleichtern. So kann ein Produktfehler vermutet werden, wenn der Schaden durch eine offensichtliche Fehlfunktion bei normaler Nutzung verursacht wurde. Ebenso kann eine Vermutung greifen, wenn die Geschädigten übermäßig große Schwierigkeiten haben, den Produktfehler nachzuweisen – etwa wegen der technischen Komplexität –, sie aber dennoch eine ausreichende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen des Fehlers oder eines ursächlichen Zusammenhangs nachweisen können.

  1. Offenlegungspflicht von Beweismitteln

 

Eine der bedeutendsten Neuerungen der neuen Richtlinie ist die Einführung eines echten Mechanismus zum Zugang zu Beweismitteln – inspiriert vom US-amerikanischen „Discovery“-Verfahren. Konkret kann einGeschädigter, der die Schlüssigkeit seiner Klage darlegt, das Gericht ersuchen, dem Beklagten die Offenlegung relevanter Beweismittel in dessen Besitz aufzuerlegen. Diese Regelung trägt dem strukturellen Ungleichgewicht zwischen Kläger und Beklagtem Rechnung, insbesondere im Hinblick auf den Zugang zu technischen Informationen zur Konzeption, Herstellung oder Funktionsweise des Produkts. Die Offenlegung kann sich auf technische Unterlagen, interne Berichte oder andere relevante Elemente beziehen, sofern diese Offenlegung als notwendig und verhältnismäßig angesehen wird.

Die Richtlinie sieht zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen und vertraulichen Informationen vor, dass die Offenlegung mit Einschränkungen verbunden werden kann, wie z. B. die Beschränkung des Zugangs auf die betroffenen Parteien.

Ein wichtiger Aspekt ist, dass diese Offenlegungspflicht nun auch gegenüber der klagenden Partei gelten kann, wenn der Beklagte hinreichende Gründe für einen solchen Antrag vorbringt. Dieses Prinzip der Gegenseitigkeit soll die Fairness des gerichtlichen Verfahrens sicherstellen.

  1. Verteilung der Beweislast

 

Traditionell obliegt es dem Kläger, das Vorliegen eines Fehlers, eines Schadens sowie eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen beiden zu beweisen. Die neue Richtlinie führt jedoch zu mehreren wesentlichen Erleichterungen dieser Regel, die unter bestimmten Umständen sogar zu einer Umkehr der Beweislastführen können.

So wird beispielsweise die Fehlerhaftigkeit eines Produkts vermutet, wenn der Beklagte relevante Beweismittel nicht offenlegt. Ebenso kann eine solche Vermutung greifen, wenn das Produkt gegen europäische oder nationale Sicherheitsvorschriften verstößt. Darüber hinaus kann auch eine offensichtliche Fehlfunktion des Produkts eine Vermutung begründen.

Bezüglich des Kausalzusammenhangs gilt dieser als gegeben, sobald die Fehlerhaftigkeit feststeht und der erlittene Schaden typischerweise mit diesem Fehler vereinbar ist. Schließlich kann – selbst nach Offenlegung von Beweismitteln – eine doppelte Beweisvermutung zugunsten des Geschädigten gelten, wenn aufgrund wissenschaftlicher oder technischer Komplexität erhebliche Beweisschwierigkeiten bestehen, aber eine bestimmte Wahrscheinlichkeit für die Fehlerhaftigkeit oder den ursächlichen Zusammenhang nachgewiesen werden kann.

Diese Anpassungen spiegeln den klaren Willen des europäischen Gesetzgebers wider, die Beweislast für die Opfer zu verringern und gleichzeitig durch Gegenbeweismöglichkeiten für den Beklagten ein gewisses verfahrensrechtliches Gleichgewicht zu wahren.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Änderungen der EU-Produkthaftungsrichtlinie setzen die Wirtschaftsakteure in mehrfacher Hinsicht einem erhöhten Haftungsrisiko aus. Für die betroffenen Unternehmen bedeutet dies oft, dass sie sich anpassen müssen, insbesondere durch eine gründliche Analyse der Haftungsrisiken, ihrer vertraglichen Beziehungen innerhalb der Lieferkette sowie durch eine Neubewertung ihrer Produktsicherheitsstandards.

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Grundsatz der verschuldensunabhängigen Haftung für Schäden durch fehlerhafte Produkte nicht nur bestehen bleibt, sondern nun auch für eine wesentlich größere Bandbreite an Konstellationen gilt.

 

Durch die neue Richtlinie werden in einer zunehmend digitalen und vernetzten Welt die Rechte von Verbrauchern gestärkt – sie trägt damit gezielt den besonderen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts Rechnung.

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